Bisher sind elf Bücher bei uns erschienen, in diesem (aus dem Jahr 2021) wird nebenbei die Geschichte der USA erzählt:
Balduin Möllhausen: Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee.
Mit einer Einführung von Alexander von Humboldt.
»Ein Buch über Balduin Möllhausen ist auch ein Beitrag zur ebenso wechselvollen wie bedeutsamen Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen. … Nicht zuletzt seiner kompromisslosen Humanität wegen, die ihn in die besseren Traditionen der deutschen Geistesgeschichte einreiht, hätte er es verdient, mehr als bisher zum Gegenstand auch deutscher Historiker, Ethnologen und Literaturwissenschaftler zu werden.« (Andreas Graf in seiner Biografie Möllhausens, »Der Tod der Wölfe«)
Die Vereinigten Staaten verdanken ihren Gründungsmythos vor allem der scheinbar unendlichen Weite des Westens; die Repression der um ihre Macht bangenden Fürsten im kleinstaatlichen Europa des 19. Jahrhunderts sorgte dafür, dass ein unerschöpflicher Nachschub an (meist männlichen) Immigranten aus allen gesellschaftlichen Schichten die Weiten der Neuen Welt durchforschte und besiedelte.
Die indigenen Völker, deren Vorfahren 20.000 bis 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung über die damals noch aus dem Wasser ragende Landbrücke der heutigen Beringstraße aus Asien auf den Doppelkontinent eingewandert waren, hatten dem Ansturm der weißen Glücksritter und Siedler wenig entgegenzusetzen. Krankheiten, Massaker und Vertreibungen richteten furchtbare Verheerungen unter ihnen an, die Überlebenden wurden in Reservationen in den ödesten und unfruchtbarsten Gegenden gezwungen. Da sie ihre Geschichte nur mündlich zu überliefern pflegten, ist das Ausmaß ihres Leidens und ihrer Verluste an Menschenleben kaum zu ermessen.
»Wa-ki-ta-mo-ne und sein Jagdtrupp (Ottoe-Krieger)«. Illustration von Balduin Möllhausen aus seinem Buch »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«.
Dagegen ist die Geschichte der europäischen Invasoren gut dokumentiert. Die Berichte der spanischen Kolonialverwaltung, die offiziellen Regierungsdokumente der USA und viele autobiografische Erlebnisberichte, die sich vor allem in Europa blendend verkauften, dienen als Quellen für die Historie des amerikanischen Westens. In die vermeinte Menschenleere zwischen den prosperierenden Bundesstaaten der Ostküste und dem lockenden Kalifornien zog es wagemutige Trapper und »Voyageurs«, Pelzhändler und Indianeragenten; sie erforschten Verkehrswege, handelten mit den indigenen Völkern, knüpften die ersten Netze der westlichen Gesellschaft. Die Faszination des leeren Raumes, der alles möglich erscheinen lässt, und die Willensstärke, etwas in ihm aufzubauen, bilden bis heute die Gene der USA.
Im Jahr 1803, nur 50 Jahre vor der hier geschilderten Reise, hatten die Vereinigten Staaten von dem napoleonischen Frankreich für einen Spottpreis dessen riesige Kolonie »Louisiana« erworben. Und nur fünf Jahre zuvor, 1848, hatten sie in einem Angriffskrieg gegen Mexiko ein riesiges Gebiet im Südwesten erobert – gerade noch rechtzeitig, um die Goldfunde in Kalifornien, die einen ungeheuren Sog auf Glückssucher in der ganzen Welt ausübten, für die USA zu beanspruchen.
In diesen Fernen Westen gerät nun ein deutscher Jäger und Zeichner. Der in Bonn geborene Balduin Möllhausen (* 27. Januar 1825; † 28. Mai 1905) unternahm seine erste Reise in die USA im Herbst 1849, in einer Zeit also, als viele junge Männer aus deutschen Landen diese verließen, nachdem die Revolution von 1848 gescheitert war. Nach Ablauf seiner Dienstzeit in der Preußischen Armee wird er immer wieder zur Landwehr einberufen, die auch demokratische Versammlungen in Berlin zu sprengen hat. Möllhausen wandert aus und sammelt in der Neuen Welt Erfahrungen als Jäger.
»Hier schreibt einer frisch und rücksichtslos über Jäger und Gejagte, über Banditen und Glückssucher. Ihr Tummelplatz ist ein Territorium, noch nicht durchzogen von Gesetzen, Normen und Moral, das durch riesige Geländegewinne derart gewachsen ist, dass es Heimat für alle zu bieten scheint. Die Fülle an Eindrücken zu bändigen, leidenschaftlich und doch präzise zu sein, immer auf Augenhöhe mit seinem Gegenstand, das ist das Talent dieses Mannes, den man im Buch als ziemlich wilden Kerl mit dichtem Vollbart, Hut, in Jägerwams, mit Messer und Pulverhorn, Gewehr bei Fuß posierend abgebildet sieht.« (Alexander Musk, Ö1, 17. September 2021)
1853 bringt er eine Sammlung von Tieren nach Berlin und lernt, über den Direktor des Berliner Zoos, Hinrich Lichtenstein, Alexander von Humboldt kennen, den großen Förderer aller reisenden Wissenschaftler. In dessen Haus trifft er Caroline Seifert, »die Ursache, daß ich meinen ganzen Lebensplan gern ändern möchte, um aus dem Trapper ein ruhiger Bürger eines Vaterlandes zu werden« – das Gerücht hält sich hartnäckig, dass es sich bei ihr um eine heimliche Tochter Humboldts handelte, was dessen Einsatz für Möllhausens Karriere eine weitere Grundlage geben würde.
Die USA dehnten sich unaufhaltsam von der Ostküste in Richtung Westen aus. Die Goldfunde in Kalifornien (ab 1848) zogen zigtausende Glückssucher an die Pazifikküste, die zum allergrößten Teil auf dem beschwerlichen Umweg über die Landenge von Panama an ihr Ziel gelangten. Eine Eisenbahnverbindung zwischen der Ostküste und dem gelobten Land Kalifornien schien dringend geboten. Zu diesem Zwecke wurden unter der Leitung erfahrener Ingenieure der U. S. Army sechs Expeditionen unternommen, die mögliche Trassenverläufe für eine solche Ost-West-Verbindung untersuchen sollten.
Zufällig geriet Möllhausen gerade in jenem Moment nach Washington, als die Stelle eines Topografen und »Naturaliensammlers« zu besetzen war. Nur 24 Stunden nach seiner Ankunft ist er engagiert und Mitglied der Expedition unter dem Offizier Amiel Weeks Whipple, die die Route entlang des 35. Breitengrads erkunden sollte. Von unterwegs sendet er immer wieder Berichte an die Berliner »Gesellschaft für Erdkunde« und beginnt so seine schriftstellerische Karriere.
»Zuñi (Neu-Mexiko)«. Illustration von Balduin Möllhausen aus seinem Buch »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«. Das Motiv ist auch als kostenlose Postkarte beim Verlag erhältlich.
In dem vorliegenden Tagebuch seiner Reise verbindet er die Reiseerzählung mit zahlreichen Anekdoten – einigen persönlichen und anderen, die ihm erzählt wurden und aus der Geschichte des amerikanischen Westens berichten. Was Möllhausen nicht selbst erzählt von der Entstehung dieser großen Nation, das reißt er in Stichpunkten an, die wir in den Anmerkungen des Verlags gerne vertiefen. So reisen wir mit ihm nicht nur vom Mississippi bis zum Pazifischen Ozean, sondern erkunden auch die Geschichte einer Weltmacht.
Nach seiner Rückkehr heiratete er Caroline Seifert und wurde endgültig in den Kreis der Familie Alexander von Humboldts aufgenommen. Dessen Vorwort sicherte dem ersten Buch Möllhausens, dem hier vorliegenden »Tagebuch«, beste Aufnahme bei den Kritikern und mehrere Übersetzungen.
Seine Vorträge vor der »Gesellschaft für Erdkunde« führten zu kurzen Aufsätzen, die sich im Laufe der Zeit zu literarischen Skizzen wandelten. Seinem ersten fiktionalen Werk aus dem Jahr 1861 (»Der Halbindianer«) folgten über 40 weitere Romane, Novellen und Bände mit Erzählungen. Er wurde zu einem erfolgreichen Autoren von Abenteuergeschichten, der durch seinen gesunden Geschäftssinn auch zu einem wohlhabenden Mann wurde. Heute ist er weitgehend unbekannt, auch wenn seine Geschichten, millionenfach verstärkt durch den Plagiator Karl May, unser Bild von den USA prägten.
»Karte der Vereinigten Staaten von Amerika«, aus dem Buch von Balduin Möllhausen »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«.
»Karte zu Balduin Möllhausen’s Reise vom Mississippi nach der Küste der Südsee im Jahre 1853–1854.« Beilage.
Hier können Sie Probekapitel und Buchbesprechungen herunterladen:
Balduin Möllhausen: Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Eingeführt von Alexander von Humboldt.
13,5 x 20,5 cm, 880 Seiten, in Leinen gebunden, mit Schutzumschlag. Mit einer beigelegten farbigen Karte der Reiseroute. Böelschuby 2021.
Der Band enthält auf 880 Seiten in aktueller Typografie den vollständigen Umfang der deutschen Originalausgabe von 1858, mit allen Abbildungen, vielen weiteren Illustrationen und einer beigelegten Karte der Reiseroute. Erläuterungen zum geschichtlichen Hintergrund, Kurzbiografien der erwähnten Personen sowie ein ausführliches Register erschließen den Text.
ISBN 978-3-941924-09-3, Preis 49,00 Euro (Deutschland).
Die Preise für den Verkauf in andere Länder betragen: 50,40 Euro nach Österreich und in die restliche EU und 59,00 sFr in die Schweiz.